Geschichten von der Liebe
Donnerstag, 1. Februar 2007
Eberhardt dümpelt und kann sich nicht entschließen, Olga eine Mail zu schreiben.
Derweil ist bei meinem wahren Dating Alter Ego, falls es das gibt, das eingetreten, was ich immer befürchtet habe: Ein ehemaliger Kollege schrieb mir!
Ein sehr lustiger Kollege. Der mich in den Zeiten als Praktikantin nie beachtet hat. Der mit Wim Wenders und so Leuten befreundet ist. Was ich auch noch just, bevor ich nach Hause kam und mich an den Comuter setzte, einem realen Date aus dem realen Leben gerade eben erzählt hatte.
Zufälle gibts. Das kann kein Zufall sein. Es leben (läben) die Horoskope und andere Generatoren!
Freitag, 19. Januar 2007
Ich habe es getan! Ich habe es getan! Ich habe mich auf einem dieser Dating-Kontakt-Dings angemeldet!
Ein Jahr lebendig begraben - Schluss damit, hatte ich gedacht, als ich mir Silvester zielgerichtet meinen Champagner in den Anorakausschnitt goss.
Bi-n, schrieb ich deshalb vor genau einer Woche, ei-n-e au-fge-schlos-se-ne Brü-ne-tte [zwei Jahre jünger als in echt], 1,68, schla-nk, Foto gibt's auch und sowieso alles ga-a-a-nz super.
Als Kontrollinstanz meiner Visitenkarte im Netz (Bin ich auf dem Foto auch nicht zu erkennen? Steht da auch wirklich das falsche Geburtsdatum?) erfand ich Eberhardt2000.
Eberhardt2000 ist nun also bei dem gleichen Dating-Dings gemeldet wie ich. Er ist offiziell 32 und arbeitslos. Diese Angaben halten aber die Damen um die 50 nicht ab, sehnsüchtig über Eberhardts sonst vollkommen leeres Profil zu huschen und ihm Flirtkontakte zu schicken. Obwohl der Eberhardt die doch gar nicht beantworten kann, weil er kein Premium-Mitglied ist. Die Damen um die 50 in der Regel auch nicht, weshalb ich schwarz sehe für die gemeinsame Zukunft von Eberhardt und den Damen.
Bis heute. Denn heute bekam Eberhardt die erste Mail. Von Olga. Hach, er hat sich so gefreut!
"Hallo. Mich rufen Olga. Mir 27 Jahre. Ich schreibe Ihnen aus Russland. Ich lerne mit Hilfe des Internetes zum ersten Mal kennen und ich suche den richtigen Menschen fur die ernsten Beziehungen. Ich habe die schadlichen Gewohnheiten nicht: ich rauche nicht und trinke ich nicht. Ich schreibe gerade Ihnen, da Ihr Profil mir sehr stark gefallen hat. Deshalb habe ich entschieden, Ihnen und mit der Ungeduld zu schreiben ich werde auf den Brief warten. Ich hoffe mich sehr, dass Sie mir antworten werden, und bei uns werden die allgemeinen Interessen gefunden werden. Leider gibt es bei mir kein Haus des Computers und ich schreibe Ihnen aus dem Internet - Cafe. Ich bitte Sie, dass Sie mir auf meinen elektronischen Kasten schreiben wurden:
loveolga@...
Ich warte auf Ihre Antwort. Olga."
Freitag, 9. Juni 2006
„Du hast Kartoffeln im Haar“, wird mein letzter Satz sein zum Mann meiner Träume.
In zwei Wochen kommt er, groß, braungebrannt, seit einem Vierteljahr getrennt, leider von mir. Ich male mir Best- und Worst Case Szenarios aus. Die Best Cases spielen in verschiedenen Kulissen, von allen tropft Schmalz. Die Worst Cases laufen auf eine Szene hinaus:
„Ich will nichts über dein Privatleben wissen“, sage ich.
„Ich muss es dir aber sagen, es ist wichtig“, sagt er.
„Du hast Aids, Krebs oder bist seit 10 Jahren schwul?“
„Nein“, sagt er.
„Du hast jemanden geschwängert?“
„Ja“, sagt er.
„Super“, sage ich. „Supi-dupi. Mich hast du auf 35, 40 vertröstet.“
„Ein Unfall“, sagt er.
„Wie romantisch“, sage ich. „im Liebesrausch, so heiß, so neu. Meine Lieblingsvorstellung. Und jetzt heiraten, hm?“
„Na, muss wohl“, sagt er.
Mein Finger, vor kurzem noch mit Verlobungsring, rührt in der Kartoffelsuppe nach Mecklenburger Art. Gar nicht mehr so heiß, die Suppe, die.
Freitag, 12. Mai 2006
Der Tag endete mit einem heulenden Chemiker.
Begonnen hatte alles vor vier Wochenenden, als ich über die Schulter meines Kneipengesprächs hinweg ein hübsches Profil sah. Das Profil gehörte, wie sich im Lauf des Abends herausstellte, zu einem Chemiker mit Zimmer in einer alternativen Groß-WG. Wir verabredeten uns. Kino, Spaziergänge, heiteres Beisammensein.
Dann kam die erste Mail. „Ich bin so einsam“, schrieb der Chemiker. „Alle sind böse. Aber das macht nichts, denn jetzt bist du ja da.“ Die Mail irritierte mich. Die Nase war wirklich sehr edel geschwungen und meine Laken schrien nach fremden Männerschweiß. Trotzdem frage ich Marie: „Er ist hübsch. Aber seine ganzen Probleme, die will ich nicht hören.“ Marie, die mit Bettgenossen erstaunlich milde umgeht, sagt: „Manche Männer sind wie Schwäne, wollen alles mit einer Partnerin teilen.“
Der Schwan in mir fühlte sich überfordert. Aber gut, denke ich und sage bei den köstlichen Steaks, mit denen der Chemiker angenehmerweise vor meiner Tür steht: „Bei der Arbeit habe ich ein Problem ...“
„Ich“, unterbricht mich der Chemiker, „bin heute wieder von allen im Labor angestarrt worden. Die Giftspritzen sind voller Neid, weil ich besser drauf bin, seit ich dich kenne.“
„Ich wollte gerade erzählen ...“
„Und mein Chef redet plötzlich auch wieder mit mir. Die Ratte hat mich ein halbes Jahr ignoriert.“
Ich schweige. Das Schweigen sinkt in meinen Magen und geht mit den Steaks eine bittergelbe Verbindung ein.
Am nächsten Tag gehen wir wandern. Der Chemiker läuft auf schmalen Pfaden hinter mir und haucht mir die Frevel seiner Ex-Freundinnen in den Nacken. So gut ich kann, höre ich weg. Auf der schönsten Frühlingswiese, voll mit gelben Butterblumen, machen wir Fotos mit Selbstauslöser. „Küss mich“, sagt der Chemiker. „Die Bilder zeige ich den Säcken im Labor.“
Ich küsse ihn nicht. Im Auto sage ich, dass ich die Zusammenkünfte beenden möchte. Die Falten des Chemikers verziehen sich zur Schnute eines Erstklässlers, er plärrt los. Aus der edlen Nase rinnt Rotz in meinen Kragen. „Wem soll ich nun alles erzählen, wenn nicht dir?“, schluchzt er. Erst als ein giftiger Nachbar über unser schief geparktes Auto schimpft, kann ich mich befreien.
Zu Hause schaue ich in den Spiegel, ob ich noch da bin. Ich sehe fahl aus. Ein gutes Stück Seelchen herausgesaugt.
Mittwoch, 28. Dezember 2005
Neulich "Schlaflos in Seattle" gesehen und folgenden Satz zum entspannendsten des hinter mir liegenden Jahres gekürt:
"Warum wollen Sie mit einem Mann zusammen sein, der Sie nicht liebt?"
Mittwoch, 7. Dezember 2005
I can’t draw it away; I can’t push it forward
It lies stranded. It belongs to someone else ...
I am not an acrobat
I cannot perform these tricks for you.
Loosing all my balance, falling from a wire
meant for you.
„Acrobat“ von Maximo Park, „A Certain Trigger“
Sonntag, 27. November 2005
Wenn Unglück an der Seele nagt, geht ein Riss durch den Alltag, und er tut sich auf für das Schöne, an dem man sonst tunlichst vorbeiguckt.
So geschehen heute früh um sieben, als ich mich aus dem eiskalten Vorkriegsehebett in F's Haus rollte (neben mir Marie, in Mantel und Fellhandschuhen unter dem Bauernfederbett schlummernd) und aufs Feld für Frolleins ging.
Da graute über lieblichen Hügeln und zierlichen Apfelbäumen ein zarter Wintertag, von Weitem blinkerte die Stadt noch still mit ihren gelben Lichtern.
Freitag, 11. November 2005
Mein Chef grüßt mich nicht mehr. Als Freie eine sehr unangenehme Erfahrung.
Marie mit großem Liebeskummer flüchtet vor ihrer leeren Wohnung zu mir.
So haben wir alle unsere Sorgen mit den Männern.
Montag, 7. November 2005
Am Telefon hatte sie gesagt: „Heiraten im Ausland? Ganz schwierig! Am Telefon kann ich Ihnen das nicht erklären. Da müssen wir einen Termin für ein Beratungsgespräch machen.“
Wir machten. Und sitzen nun. Sie spricht. Ich höre. Mit wachsender Fassungslosigkeit:
„Also, Sie müssen sich eine Beglaubigung für Ihre Heiratsurkunde holen. Und die dann hier in Deutschland zum vereidigten Übersetzer bringen.“
„Das steht alles auf Ihrer Webseite. Was muss ich denn noch Schwieriges tun?“
„Das war's eigentlich.“
„Sie machen wohl Witze?“
„Nein, ich spaße nie.“
Ich sehe zwei flackernde rote Kreise vor meinen Augen: „Und warum können Sie mir das nicht Telefon erklären? Warum verschiebe ich extra meinen Dienst?“
„Na, das ist doch nicht so einfach. Außerdem wollte ich Ihnen noch das Familienbuch zeigen. Auch wenn es das im Januar wahrscheinlich gar nicht mehr gibt ...“
Gibt es eigentlich Schadenersatz für verplemperte Arbeitszeit wegen Behördenwillkür? Und Schmerzensgeld für Dummheit?
Montag, 31. Oktober 2005
Auch uns wird bald das Schicksal von Langzeit-Paaren ereilen: Wenig Sex, Zusammenziehen, noch weniger Sex. Zusammengezogen fällt das dann aber vielleicht gar nicht so auf. Wirkliche Sorgen bereiten mir dagegen die anderen, bisher durch zwei Wohnungen abgepufferten Probleme zwischen Mann und Frau:
Dass der Mann den Lendenschurz und andere Kleidungsgegenstände regelmäßig an variablen Stellen der Höhle verteilt, wo sie dann ungehindert in den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen eingehen.
Dass der Mann den heiligsten aller Orte, den Tempel, wo die Wasser des Lebens zusammenfließen, die Oase, wo Entspannung und Schönheit wohnen, nicht als solche respektiert, sondern an die Tür wummert und kacken will.
Dass der Mann mich um meine geliebten Sonntagsspaziergänge bringt, weil er so lauffaul ist, dass ihm sein Auto irgendwann chirurgisch vom Hintern geschabt werden muss.
Dass mir der Mann – bevorzugt zwischen Bierflaschen und Aschenbechern vor dem Computer hausend – den letzten Hauch von Lust auf echtes Leben raubt.
Dass mich der Mann Schritt für Schritt in meine Mutter verwandelt – kochend, putzend, darüber schimpfend.
Ach, wie ärgerlich, dass ich in den vergangenen 10 Jahren keinen anderen Menschen, kein Tier und kein Untier getroffen habe, mit dem ich lieber zusammenglucken würde.